Weniger Fachkräfte nach Quote?

10.05.2024

Weniger Fachkräfte nach Quote?

In Hamburg ist kürzlich eine relativ laute Debatte über die Fachkräftequote entbrannt. Angesichts unterbesetzter Stationen sollte die Quote von 50 % gesenkt werden – und zwei unterschiedliche „Lager“ sahen sofort zwei entgegengesetzte Konsequenzen möglich werden.

Die Debatte steht stellvertretend für die Diskussion über viele Maßnahmen in der Pflege: Lösungen, die je nach konkreter Implementierung echte Vor- oder Nachteile für alle Beteiligten bedeuten können.

Geringerer Anteil von Fachkräften in Pflegeheimen

Die Fachkräftequote für Pflegeheime in Hamburg sieht vor, dass 50 % Besetzung in einer Schicht Pflegefachpersonen sein müssen – Hilfskräfte zählen nicht, auch wenn sie eine erste Ausbildung haben.

Die Quote bedeutet in der Realität auch, dass Pflegeheime Schichten nicht voll besetzen können. Wenn nur eine weitere Hilfskraft hinzukommen darf, wenn auch eine weitere Fachkraft eingestellt wird, wird das teilweise zur Blockade. Und so sind Schichten mit einer Fach- und einer Hilfskraft besetzt, statt mit einer Fachkraft und drei Hilfskräften die gewünschte Zahl an Personen zu erreichen, aber eben nicht die Quote zu erfüllen.

Steht das System wirklich für bessere Qualität der Pflege?

Senken der Quote für eine schnelle Veränderung

Wenn Hamburg die Quote „flexibel“ macht, was bedeuten kann, dass in noch zu definierenden Ausnahmefällen auch weniger als 50 % der Pflegenden auf einer Station ausgebildete Fachkräfte sind, kann das erst mal eine erhebliche Erleichterung bedeuten. Egal ob ausgebildet oder nicht, die Arbeit wäre auf mehr Schultern (und vor allem Arme und Köpfe) verteilt.

Eine Fachkraft hat dann aber auch mehr Verantwortung: sie muss die Arbeit von mehr Personen koordinieren und entscheiden, was passiert. Dieser organisatorische Overhead stellt eine kognitive und psychische Belastung dar. Ob sie größer oder geringer ist als die Belastung, alle Aufgaben mit weniger Menschen bewältigen zu müssen, ist sicher auch eine individuelle Frage.

Deswegen kann man von außen auch nicht entscheiden, dass eine Senkung der Quote die Situation in allen Pflegeheimen verbessern oder verschlechtern würde – aber wir können und müssen auch vor einer Entscheidung über mögliche Folgen nachdenken.

Die Veränderung kann gut oder schlecht sein

Eine flexible Quote kann kurzfristige Entlastung schaffen und dafür sorgen, dass freie Stellen erst mal „irgendwie“ besetzt werden können. Abgesehen von den Effekten im Pflegeheim – mehr Personal für die Versorgung – sind mehr angestellt arbeitende Menschen auch ein allgemeiner wirtschaftlicher Vorteil für die Gesellschaft.

Gleichzeitig sind die Stellen dann mit Hilfskräften statt voll ausgebildeten Fachkräften besetzt – das spart Geld für die Heime, aber bietet keinen so großen wirtschaftlichen Vorteil für die Stadt bzw. das Land. Und auch die angestellten Personen selbst hätten vielleicht einen noch größeren Vorteil in ihrem Job, wenn sie die Möglichkeit hätten, sich noch weiter zu bilden und Fachkräfte zu werden.

Weniger abstrakt ist aber die mögliche Veränderung auf den Stationen: wird die Flexibilität genutzt, um den Fachkräften mehr Hilfskräfte zur Seite zu stellen und sie zu entlasten ODER wird die Flexibilität genutzt, um am Ende weniger Fachkräfte zu beschäftigen?

Eine ähnliche Frage tut sich immer wieder in Debatten um die Maßnahmen für „bessere Arbeitsbedingungen“ in der Pflege auf. Gerade „Flexibilität“ als Gegenstück zu „Regulierung“ kann etwas sehr Gutes sein oder etwas, das weniger Schutz für Pflegepersonen und Pflegebedürftige im System bedeutet.